Die Folge 208 – Vollgeld, Inflation und Kryptowährungen vom Omega-Tau-Podcast ist sehr interessant. Der Volkswirt Thomas Mayer erklärt darin die historischen Hintergründe und die Merkmale der zwei Geldsysteme Vollgeld (Aktivgeld) und Kreditgeld (Passivgeld). Der wesentliche Unterschied liegt in der Form, wie das Geld entsteht und abgesichert ist, sprich neues Geld in den Markt kommt. Bei Kreditgeld steht der Glaube an die Zahlungsfähigkeit des Geldempfängers hinter der Ausgabe des Geldes, während bei Vollgeld eine Leistung des Empfängers zuvor erbracht werden musste.

Aus diesen beiden Herangehensweisen für die Geldschöpfung leiten sich dann verschiedene Bedingungen wie eine stetige Inflation an ein Kreditgeld oder eine verträgliche Deflation beim Vollgeld ab.

Mir war es bisher noch nicht bewusst, aber unsere aktuelle Währung, der Euro, ist ein Kreditgeld, basiert also auf Schulden und den Glauben daran, dass diese in Zukunft beglichen werden können. Die Digitalwährung Bitcoin hingegen ist ein Vollgeld, bei dem neues Geld nur durch (Rechen-)Arbeit, das sogenannte minen (zu Deutsch schürfen oder ausgraben), entsteht. Im System bewegt sich als Geld also nur das Äquivalent zur eingebrachten Rechenleistung.

Kartenzahlung ist Kreditgeld

Mir ist in den letzten Tagen nachdem ich den Beitrag gehört, mich noch etwas mehr mit Bitcoin beschäftigt und wahrscheinlich auch noch andere Informationen aufgenommen habe, ein ganz praktisches Beispiel für den Unterschied Kreditgeld–Vollgeld eingefallen: Wenn man im Ladengeschäft zum Beispiel beim Bäcker mit Geldscheinen und Münzen bezahlt, übergibt man tatsächlich den Wert zur Begleichung der Vertragsschuld in Form der gesetzlichen Zahlungsmittel, mit denen der Händler dann ebenso weiter handeln kann.

Zahlt man aber mit einer Karte, so gibt man dem Händler kein Geld und mit Nichten wird ihm im Akt der Bezahlung das Geld auf seinem Konto gutgeschrieben, sondern man stellt ihm nur einen Schuldschein, einen anders gestalteten Scheck aus. Dadurch hat sich zu dem Zeitpunkt die Geldmenge im gesamten System um den Betrag erhöht, da dieser tatsächlich noch auf dem Konto des Kunden steht und gleichzeitig der Händler einen Schuldschein besitzt, der für ihn den selben Wert besitzt.

Der Händler kann dann mit diesem Schuldschein zu meiner Bank gehen und sich Geld von meinem Konto auf sein Konto buchen lassen. Im Grunde gewährt der Händler mir für diesen Zeitraum einen Kredit.

Dass diese Schuldverschreibung nicht vollwertig als Geld anerkannt ist, merkt man schon daran, dass selbst bei passendem Betrag ein Kunde nicht vom Händler eine Schuldverschreibung eines anderen Kunden als Wechselgeld ausgehändigt bekommt. Ebenso genügt es, sich das Kleingedruckte auf der Rückseite eines ec-Zahlungsbeleges anzusehen und man findet dort zum Beispiel Festlegungen dazu, was passiert, wenn das Konto im Moment der Abbuchung nicht gedeckt ist. Mit einer solchen Schuldverschreibung kann man nicht mehr am regulären Warenhandel teilnehmen bzw. nur am speziellen Handel für diese Schuldscheine.

Das elektronische Geld

Der elektronische Geldverkehr hat einen gewissen Vorteil und ist mindestens beim Fernhandel (Internet, Bestellung bei Versandhäusern u. s. w.) und größeren Beträgen notwendig. Früher waren die Computersysteme nicht vorhanden oder noch nicht leistungsfähig genug, um einen Geldhandel adäquat zum Tausch von Geld zu ermöglichen. Aufgrund der Notwendigkeit haben sich daher Schecks und später Kreditkarten entwickelt, dann ist der einfach elektronische Zahlungsverkehr (das alte Lastschriftverfahren) entstanden und hat sich bis dahin entwickelt, dass heute bei der Zahlung die Gültigkeit der Karte, die Kontodeckung und der Verfügungsrahmen an qualifizierter Stelle geprüft wird.

Man muss offen gestehen, dass bis vor einigen Jahren das technische System einfach nicht so leistungsfährig war, um ein echtes Bargeldäquivalent zu bieten. Aber mit den Digitalwährungen wie Bitcoin wurde gezeigt, dass ein globaler Geldaustausch ohne zwischenliegende Kreditgeber, wie Händler oder Anbieter von elektronischen Zahlungssystemen, möglich ist und just in dem Moment wo man den Laden verlässt, das Geschäft mit dem Händler abgeschlossen seien kann und keine Fragen nach Kontodeckung und Inkasso bleiben müssen.

Die Politik müsste das Geldsystem also dahin umbauen, dass auch im elektronischen Zahlungsverkehr die Sicherheit des konventionellen Bargeldverkehrs wieder einkehrt. Tatsächlich wurde auch im November 2017 das System SEPA Instant Payments gestartet, mit dem eine Überweisung bereits in 2,5 Sekunden erfolgt ist, aber die Umsetzung kommt nur schleppend voran; Liste der teilnehmenden Banken. Zahlungen beim Einkauf könnten damit also die Lücke schließen, in der der Händler einen Kredit gewähren muss. Auch die Deutsche Bundesbank sieht Zahlungen in sekundenschnelle kommen.

Aber natürlich gibt es da auch Kräfte, die dem entgegen stehen. Allen voran ist das Geschäft der Anbieter von elektronischen Zahlungssystemen. Diese verlangen aktuell von den Händlern Gebühren für das Gerät bzw. auch die Buchungen, was dem Endkunden verborgen bleibt, aber in Form eines erhöhten Produktpreises zahlt der Kunde diese Gebühren. Diese Anbieter werden natürlich eine ordentliche Lobbyarbeit betreiben, um ihr Geschäft zu sichern.

Weiterhin ist unser Bankensystem mit Altprogrammen in COBOL belastet und Überweisungen, die über Zwischeninstanzen (Clearing-Stellen) abgewickelt werden, recht behäbig (siehe unten). Dies sollte jedoch kein Hinderungsgrund sein, denn ebenso wie die Computernetzwerke (Internet) ihre Leistungsfähigkeit gesteigert haben, so könnten auch die Geldnetzwerke diese erreichen.

Gironetzwerke

Im Wikipedia-Artikel zum Ablauf von Überweisungen bin ich auf die Gironetze in Deutschland gestoßen und habe darin das Internet mit Backbones und ISPs gesehen. Es wäre doch interessant, wenn über dieses Netzwerk Geld wie Daten durchs Internet fließen könnte. Dann könnten erfolgreiche Techniken wie Redundanz, Duplizierung und Ende-zu-Ende-Kommunikation auch in diesem Netzwerk eingesetzt werden. Beziehungsweise ist die Frage, wie das Girnonetzwerk funktioniert.

Meine Vorstellung ist: Ein Zahlungsauftrag (= Datenpaket) wird von der Bank (= ISP) des Senders angenommen, in ein passendes Netzwerk (= Backbone) übergeben (= peering) und von dort zur Empfängerbank ggf. über weitere Netzwerke weitergeleitet (= routing). Dabei sollten die Zwischenstellen jedoch im Sinne des Ende-zu-Ende-Prinzips nur den Zahlungsauftrag weitergeben und nicht etwa Zwischenbuchungen vornehmen, dass also die Austauschpunkte (= Gateways/Router) nicht ihrerseits noch Konten führen und so jede Bank beim Partnernetzwerk ein Konto hat, auf dem alle Buchungen der Bank aggregiert verzeichnet werden.

Wenn dann eine Bank sich verschiedenen Netzwerken anschließt und eine Sicherung wie die Sequenznummer bei TCP eingebaut ist, könnten Zahlungsaufträge auch mehrfach an verschiedene Partner abgegeben werden, um die Ankunft des Auftrags zu beschleunigen bzw. abzusichern.

Leider habe ich in der Wikipedia die Beschreibung des Cashclearings gefunden, der genau das beschreibt, was gegen das Ende-zu-Ende-Prinzip steht: Die Banken haben bei der Clearing-Stelle (im Backbone) ein eigenes Konto, auf dem die Buchungen abgewickelt werden und mit anderen Buchungen der Bank verrechnet werden. Man rechnet also an jedem Knotenpunkt des Netzwerks ab, woraus folgt, dass keine Duplizierung zur Redundanz möglich ist und Sicherheit ist auch nur für Überweisungen und keine Abbuchungen gewährleistet, weil die tatsächliche Abbuchung vom Zielkonto erst nach einigen Iterationen bei der Bank erfolgt und dort abschließend geprüft werden kann.

Zwei Abbuchungen über zwei unterschiedliche Clearing-Stellen wissen nichts voneinander und werden als Buchung vom Konto der Bank bei der Clearing-Stelle akzeptiert, obwohl das Endkonto nicht genug Guthaben für beide Buchungen besitzt. Nur bei positiven Geldflüssen vom Konto mit Guthaben hin zum Empfänger funktioniert das System. Allerdings darf die Vermittlung an den Clearing-Stellen (die Übertragung im Netzwerk) nicht zu langsam sein, damit der Empfänger zeitnah mit dem Geld weiterarbeiten kann.

Inflation als Verfaulen des Geldes

In unserer Radiosendung Datenkanal haben wir uns in der 66. Folge zu Bitcoin auch über das Thema Geldsysteme unterhalten und Jens hat zum Thema Inflation den interessanten Gedanken aufgeworfen, dass mit der Inflation des Geldes der Verfall von Gütern nachgebildet wird.

In einem einfachen Geldsystem, in dem Waren und Geld getauscht werden, ist ein Problem von Geld, dass es nicht seinen Wert verliert, wenn es liegt. Die natürlichen Waren wie Lebensmittel oder Geräte hingegen verderben bzw. verrosten mit der Zeit. Geld, als das Äquivalent zu den Waren im Handel, hat somit den Vorteil, dass es wertstabil ist. Dies führt dann dazu, dass Geld, welches nicht benötigt wird, von den Marktteilnehmern gesammelt wird und nicht im Umlauf bleibt – der Anreiz Geld zu behalten ist größer, als es in vergängliche Waren zu investieren.

Ein Verfall des Geldes – die Inflation – wirkt dem entgegen und sorgt für eine Umlaufsicherung des Geldes. Wer sein Geld ins sprichwörtliche Kopfkissen steckt, erleidet dadurch ähnliche Nachteile wie jemand, der natürliche Waren besitzt. Inflation schafft also einen Ausgleich der Verhältnisse der Parteien am Markt, so dass ein Konsument mit Geld jeden Tag den gleichen Wert verliert, wie es der Produzent mit seinen Waren – sehr idealisiert gesprochen.

In dem Punkt würde ich Thomas Mayer aus der oben angesprochenen Folge von Omega-Tau widersprechen und sehe in Inflation ein notwendiges Werkzeug, um einer Geldhamsterei entgegenzuwirken. In einem Geldsystem ist Inflation für den Staat die Möglichkeit, Marktteilnehmer intrinsisch zu motivieren, das Geld im Umlauf zu halten und nicht in der Brieftasche zu belassen.