In der ferneren Bekanntschaft gab es die erste Corona-Tote, eine Frau in Oberbayern Ende 70, starke Diabetes, war bereits daran erblindet. Ich selbst habe in den letzten 15 Jahren auch mehrere Tote naher Angehöriger miterlebt; erwartet und unerwartet, kurz und plötzlich durch Unfälle oder schleichend durch Demenz und Koma, mit Abschied und bedauerlicher Weise auch ohne.
Die Corona-Tote ist von einem Freund aus dem Familienkreis über fünf Ecken und im Gespräch darüber kamen wir auf die Gedanken darum, wie es wohl für die Verstorbene war, denn sie war bereits daheim isoliert.
Durch die persönlichen Erlebnisse mit dem Sterben habe ich erfahren, dass Menschen mit einer gewissen Einsicht – die sich mit dem Alter immer mehr einstellt – nicht den Tod an sich fürchten. Ihnen ist klar, in welcher Phase des Lebens sie sich befinden und dass der Mensch vergänglich ist. Vielmehr graut ihnen und mir ebenso vor dem Sterben; das in heutiger Zeit am besten detailreich in einer Patientenverfügung geregelt ist – bitte keine künstliche Beatmung. Von vielen Menschen habe ich gehört: »Es soll kurz und schmerzlos gehen. Am liebsten abends ins Bett legen und morgens nicht wieder aufstehen.« Das ist für die Angehörigen nicht unbedingt angenehm, vor allem wenn es in einem Alter passiert, wo der Tod noch nicht erwartet wird, aber niemand möchte Schmerzen erleiden oder sich zu lange in einem Zustand befinden, in dem er sich nicht wohl fühlt.
Für den Sterbenden, aber auch für die Angehörigen – das kann ich aus persönlicher Erfahrung bestätigen – ist das Abschiednehmen wichtig. Vielleicht noch ein paar Worte oder ein Blick, sie noch einmal gesehen zu haben ist ungeheuer wichtig für die Angehörigen und beruhigend für den Sterbenden: »Einschlafen im Kreise der Lieben«.
Auch die Sorgen um die Beerdigung beschäftigen die Sterbenden; eine Verwandte von mir hatte zum Beispiel schriftlich, detaillierte Anweisungen für die Beerdigung hinterlassen. Sterbende wollen also mit der Gewissheit einschlafen, dass sie keine Sorgen hinterlassen.
Aber bei der Corona-Toten war es nicht so, die Frau ist daheim in Isolation, ohne den Besuch jedweder Angehöriger und Freunde verstorben und mit der Gewissheit, dass kaum Leute (nicht einmal der Bruder, weil dieser in Quarantäne war) zu ihrer Beerdigung kommen werden, ihr Begräbnis, Grabmal und Grabschmuck nicht sehr festlich ausfällt, weil es untersagt ist – und mehrere Wochen einen Leichnamen in den jetzigen Zeiten aufzubewahren ist nicht möglich oder sehr teuer.
Wenn ich mich in die Position eines Sterbenden hinein versetze, gruselt es mir unter solchen Bedingungen zu sterben, vor allem, wenn man auch bereit ist beruhigt zu sterben. Was tun wir gerade mit diesen krassen Vorschriften den Menschen – Sterbenden und Angehörigen – an?
Weiteres
Ein ähnlicher Beitrag bei Zeit-Online: Beerdigungen: Bitterer Abschied