Das schöne Wetter dieser Tage und der Blick durchs Fenster zum blauen Himmel hat mich an ein Gespräch vor einigen Monaten erinnert, indem es um die Frage ging: »Weshalb schauen Menschen heutzutage lieber auf eine Wetter-App anstatt aus dem Fenster, um die aktuelle Wetterlage zu erfahren?«

Der Sinn des Fensters ist es gerade, eine Barriere zwischen Drinnen und Draußen herzustellen, die dadurch aber die Beurteilung der Wetterlage erschwert. Der schöne, blaue Himmel im April war nämlich oft trügerisch und die Temperaturen nicht so hoch, wie es der Sonnenschein suggerierte. Ein Blick aufs Thermometer oder das Öffnen des Fensters könnte an der Stelle helfen. Klar, nicht jeder hat heutzutage noch ein Thermometer und das Fenster zu öffnen kann auch mit dem Aufwand, die Blumen aus der Fensterbank zu heben, verbunden sein.

Aber all sind eher kleine Artefakte der Fragestellung und sind für mich nicht der entscheidende Punkt des Handelns. Die Wetter-App fand ich in dem Gespräch nämlich ein ausgezeichnetes Beispiel, denn ich selbst habe eher die Erfahrungen gemacht, dass die Vorhersagen der Wetter-App nicht sonderlich treffsicher sind … und dennoch nutze ich sie. Und mit Leidenschaft kann ich auch über diese Fehlvorhersagen der Wetter-App schimpfen – obwohl mir gleichzeitig klar ist, dass wie so oft der Fehler in der Interpretation der Daten liegt. Aber dies ist eine andere Frage.

Nach einigem Hin und Her der Gedanken kamen wir im Gespräch auf den Punkt »die anderen«. Der Mensch schimpft und meckert ja gern über andere und weniger über sich selbst – weil eben die Betrachtung leichter als die Reflexion ist – und genau dafür eignet sich die App hervorragend: ein anonymer Dritter auf den man die Schuld und die Verantwortung schieben kann.

Den Grund für den Blick auf die App anstatt aus dem Fenster sehe ich im Streben des Menschen nach Erleichterung und ganz konkret in der Verlagerung von Verantwortung auf andere, insbesondere für Entscheidungen und deren Konsequenzen. So wie es bereits vor Jahrhunderten für die Menschen eine Entlastung war, dass ein Ereignis, gar ein Schicksalsschlag dem Willen Gottes zugeschrieben werden konnte, so lässt sich auch heute der Regenguss ohne Schirm leichter ertragen, wenn die blöde Wetter-App es nicht hat kommen sehen, anstatt selbst die Verantwortung dafür zu übernehmen.

Aber auch bei der Verlagerung von Verantwortung macht die Dosis den Unterschied zwischen heilsam und schädlich. Zu viel Eigenverantwortung ist nicht sinnvoll und eine zu starke Externalisierung der Verantwortung ist auch nicht gut. Genau dieses Verhältnis von Eigenverantwortung und Fremdverantwortung sehe ich in der heutigen Gesellschaft zu sehr aus der Balance gebracht, zu stark werden die üblichen Risiken des Lebens auf andere abgewälzt. Dies fängt mit unnötigen Hinweisen wie »Keine Haftung für die Garderobe« und »Eltern haften für ihre Kinder« an, die unterstreichen wollen, dass die Verantwortung bei anderen liegt, und geht über detaillierte Gesetzes- und Vertragstexte, die jedem Beteiligten seine Verantwortung zuteilen, bis hin zu Versicherungen alle erdenklichen Eventualitäten und das Restrisiko.

Die Konsequenz sind dann zum Beispiel überall angebrachte Warnhinweise (»Kein Winterdienst«) oder die Sperrung von Privatwegen für die Öffentlichkeit, weil man nicht (mehr) das Risiko eingehen will, ein oder zwei Mal im Jahr dafür Haften und Zahlen zu müssen, dass jemand über eine Baumwurzel stolpert.

Auch die Sozialsysteme der Gesellschaft wurden dafür ausgelegt, dass auch die einfachen