Das Sonntagsrätsel ist eine seit 19651 ausgestrahlte Radiosendung, bei der zu musikalischen Stücken eine Frage gestellt wird und aus deren Antwort ein oder mehrere Buchstaben den Teil des Lösungswortes der Sendung bilden. Zu hören ist die Sendung jeden Sonntag um 9:30 Uhr bei Deutschlandfunk Kultur. Die Fragen sind meist von der Art »Wie lautet die Heimatstadt des Komponisten des folgenden Musikstückes?« oder »Von welchem Instrumentenbauer hat der Interpret des folgenden Stückes während der Zeit seiner Solokarriere sein Instrument erhalten?«

  1. Ein witziges Detail am Rande: Anfangs war die Ausstrahlung der Sendung nur für eine kurze Zeit vorgesehen, um anhand der Antwortbriefe die Anzahl der RIAS-Hörer in der DDR feststellen zu können. 

Ich kenne noch die Zeiten, in denen diese Rätsel für mich unlösbar waren. Aber dann kam Shazam und löste für mich fast die Hälfte der Fragen. Mit der Erkennung von Musikstücken per App hat sich wirklich vieles vereinfacht. Zwar funktioniert die Erkennung auch nicht immer zuverlässig, aber in der Mehrzahl der Fälle gelingt sie. Die restlichen Teile der Fragen bedeuten meist nur noch ein Nachschlagen der Information in der Wikipedia oder eine Recherche mit der Suchmaschine der Wahl. Und sollte doch einmal die Form der Lieblingsbrosche der zweiten Begleitsängerin von links gefragt seien, hilft ein Blick ins Video bei YouTube und im Zweifelsfall eine Vergrößerung des Bildes. Das Sonntagsrätsel hat mit den heutigen technischen Möglichkeiten völlig seine Schwierigkeit verloren – seinen Charme jedoch nicht.

Während früher für das Sonntagsrätsel ein umfangreiches Wissen notwendig war, um überhaupt in die Nähe der Lösung zu kommen, kann man heutzutage auf das gesammelte Wissen der digitalen Welt inklusive der technischen Werkzeuge für den Zugang zurückgreifen. Dieses Beispiel zeigt so anschaulich, wie die Digitalisierung die Kompetenzen in der Zukunft verschiebt: Reines Faktenwissen und wiederholende Tätigkeiten (Algorithmen) muss der Mensch nicht mehr beherrschen. Er muss die Grundlagen und einige Spezialbereiche kennen, aber die volle Bandbreite kann er sich mithilfe der Technik erschließen.

Alle Tätigkeiten, die bekannte Informationen oder Prozesse reproduzieren, lassen sich ab einem bestimmten Strukturierungsgrad sehr leicht mit Technik automatisieren: Informationen nachschlagen, Formulare ausfüllen, Daten erfassen und nach gegebenen Algorithmen kombinieren. Alles, was sich gut als Regelwerk von maschinenfreundlichen Schritten beschreiben lässt, wird auch von Maschinen übernommen.

Für alle extrapolativen Techniken, die über bekanntes Wissen hinausgehen – also alles kreative, wo Unsicherheiten und unvollständige Informationen vorherrschen –, wird der Mensch weiterhin im Vorteil sein – aber auch nicht in alle Ewigkeit. Dass ihn auch in dieser Disziplin irgendwann seine Werkzeuge überflügeln werden, damit muss er sich abfinden.