Ich muss immer wieder für jemandem ein E-Mailkonto anlegen und stehe dann vor dem Problem, welchen Anbieter ich wählen soll. Da ich selbst einen eigenen Server bzw. mit GNUU einen speziellen Anbieter habe, kenne ich mich mit den freien Alternativen auch nicht wirklich aus. Fakt ist jedoch eins: Gmail ist für die Freiheit eine schlechte Wahl und Outlook ist auch nicht viel besser.

Bisher habe ich immer zu web.de oder GMX gegriffen, aber so glücklich habe ich mich mit denen auch nicht gefühlt, weil diese beiden – oder vielmehr der eine Anbieter, der beide betreibt – die zentrale Stelle im deutschsprachigen Raum ist – eine Alternative für mehr Vielfalt wäre gut. Heute bin ich auf mail.de gestoßen und habe gesehen, dass sie auch ein kostenloses Angebot haben. Dieses ist dann zwar auch voll mit Werbung, aber für 2 € pro Monat kann man auch einen werbefreien Zugang bekommen. Das kostenfreie Angebot mit 2 GB ist für den Anfang aber ausreichend und man kann sich langsam herantasten und bei Gefallen den Tarif wechseln. Wer allerdings seltener nur zwei Mal im Jahr das Konto nutzt, kann den kostenlosen Tarif nicht nutzen, weil das Konto nach 6 Monaten deaktiviert wird.

Registrierung

Gleich bei der Anmeldung ist mir positiv aufgefallen, dass mail.de nicht das überall verbreitete Recaptcha von Google verwendet, sondern die Alternative hCaptcha – ohne Bot-Erkennung geht es nicht, aber dann wenigstens nicht Google. Auch ist die Anmeldung sehr einfach gehalten. Man kann zwar danach eine Telefonnummer hinterlegen, aber ist nicht wie bei Gmail dazu gezwungen. Mit der Auswahl eines Namens und eines Passworts ist die Anmeldung geschafft.

Direkt danach begrüßt einen ein Einrichtungsassistent, über den man wichtige Einstellungen vornehmen kann. Interessant ist, dass man E‑Mails oder das Adressbuch von anderen Anbietern importieren kann – eine Funktion über die Gmail nämlich massiv andere Konten gekapert hat; schön, wenn es auch mal umgekehrt passiert. Für das Adressbuch kann man auch eine vCard- oder CSV‑Datei zum Import nutzen. In der Rubrik Passwort vergessen kann man sich einen Sicherheitscode generieren lassen, den man ausdrucken und im Problemfall nutzen kann, um wieder Zugriff auf das Konto zu erlangen. Alternativ kann man auch eine andere E‐Mailadresse hinterlegen, an die ein Code für das Zurücksetzen des Passworts geschickt wird.

Assistent zur Einrichtung eines Kontos bei mail.de

Zum Schluss wird noch die Einrichtung mit diversen Programmen erläutert. In diesem Punkt der Freiheit der Wahl anderer Programme finde ich das Angebot von mail.de auch sehr löblich. Auch in den Einstellungen wird sehr transparent und offen mit den Informationen für die Anmeldung umgegangen, wo ich bei anderen Anbietern immer vor dem Problem stehe »Ist der Anmeldename nun mit oder ohne Domain?«, ist dies hier klar ausgewiesen. Auch gibt es in den Konto-Einstellungen eine Login Historie über die man schön die Funktionsfähigkeit seiner externen Programme prüfen kann – ein Segen bei der Fehlersuche. Eine Gefangennahme (Lock-in-Effekt) – am besten noch im Namen der Sicherheit – wie bei anderen Anbietern wird hier offenbar nicht angestrebt.

Insgesamt scheint man bei mail.de auch ein Augenmerk auf Sicherheit und Datenschutz zu legen, was mir so noch bei keinem anderen Anbieter begegnet ist und weshalb ich mail.de empfehlenswert finde. Aber dazu später mehr.

Gebotenen Dienste

Ansicht des Postfachs bei mail.de

Die Weboberfläche erinnert sehr stark an eine lokale Anwendung mit nur „einem“ Fenster und zwei Millionen Dialogfenstern darüber, was echt nicht mehr zeitgemäß ist. Auch fehlen an vielen Stellen einfache Tooltips mit Erklärungen oder Verweise, die schlicht und einfach in einem anderen Tab geöffnet werden. Aber die grundlegenden Funktionen sind gut erreichbar, nur könnte ein liebevoller Entwickler hier und da einige Details verbessern.

Bereits der kostenfreie Tarif bietet mit E‐Mail (SMTP, IMAP, POP), Adressbuch (CardDAV) und Kalender (CalDAV) alles was man heutzutage benötigt und kann damit wunderbar das Google-Konto auf dem Handy ersetzen. Es gibt auch eine App von mail.de, aber die habe ich noch nicht gesehen.

Sehr praktisch ist auch der Online-Speicher, in dem man große Dateien ablegen und dann einen Link dorthin verschicken kann. So lassen sich auch per Messanger (WhatsApp & Co.) Dateien an mehrere Leute verschicken.

Sicherheitseinstellungen

In den Konto-Einstellungen befinden sich viele nützliche Einstellungen zur Absicherung des Kontos – weitaus mehr als ich je bei anderen Anbietern gesehen habe. Ich finde das einen wichtigen Punkt, aber wer sich nicht so intensiv dafür interessiert wie ich, kann diesen Abschnitt überspringen.

Ungenutzte Zugänge deaktivieren

Unter dem Menüpunkt Protokoll-Status kann man alle Zugangswege deaktivieren, die man nicht nutzt. Wer also nur die Weboberfläche nutzt, kann alle Haken dort entfernen, damit Kriminelle auf den anderen Zugangswegen keinen Zugriff auf das Konto erlangen können. Wer zum Beispiel kein POP oder IMAP nutzt, kann dies auch deaktivieren.

TANs für die Anmeldung aktivieren

Für die Anmeldung unterstützt mail.de sogar eine Zwei-Faktor-Authentisierung (2FA), mit der die Anmeldung in zwei Schritten erfolgt: mit dem normalen Passwort und immer neuen TAN. Das ist echt fortschrittlich, gemessen daran, dass man bei Gmail nur deren proprietäre Lösung nutzen kann.

Die Einstellung dazu befindet sich in den Konto-Einstellungen unter dem Punkt mail.de Authenticator und funktioniert problemlos mit KeePassXC.

Automatische Abmeldezeit verlängern

Da Gmail ist man ja gewöhnt, dass man dauerhaft angemeldet ist. Dies lässt sich leider bei mail.de nicht einrichten, aber man kann wenigstens die Dauer bis zur automatischen Abmeldung auf zwei Stunden erhöhen. Somit kann der Browser-Tab offen bleiben, aber man muss nicht ständig ein Aktion auslösen.

PGP‐ oder S/MIME‐Schlüssel veröffentlichen

Ursprünglich bin ich durch einen Artikel über OPENPGPKEY-Einträge im DNS auf mail.de aufmerksam geworden. Bei Verschlüsselung von E‐Mails mit PGP ist nämlich ein großes Problem die Schlüsselverteilung. Aber auch hierfür bietet mail.de die Lösung. In den Nachrichten-Einstellungen kann man unter PGP Schlüssel seinen öffentlichen Schlüsselteil zur Veröffentlichung in wahlweise DNS oder WKD hinterlegen.

In der Hilfe gibt es auch einen Eintrag PGP-Schlüssel veröffentlichen, der dies ausführlich erklärt. Dieser Eintrag ist Teil der gesamten Rubrik PGP-Verschlüsselung, die sich diesem Thema widmet und unter anderem auch die Einrichtung in Thunderbird erklärt – leider noch für die alte Version mit Enigmail (Stand: Dezember 2020).

Kleine Anmerkung: Auf der Einstellungsseite merkt man das altbackene Konzept der Benutzeroberfläche, denn der Hilfeeintrag ist nicht verlinkt und ich musste erstmal die Hilfe suchen. (Stand: Dezember 2020)

DSGVO‑Vertrag zur Datenverarbeitung

Laut DSGVO sind Firmen und zum Beispiel Vereine dazu verpflichtet, mit allen Dienstleistern, die für sie Daten der Kunden oder Mitglieder verarbeiten (eben E-Mails empfangen und speichern), einen Vertrag über die Auftragsdatenverarbeitung zu schließen. Bei mail.de kann man sich diesen Vertrag in den Konto-Einstellungen unter Vertragsdaten und DSGVO AV-Vertrag generieren. Für kleine Vereine ist dies zum Beispiel eine super Unterstützung!

Postfach und E‐Mails

Die Bedienung des Postfachs und das Verfassen von E‐Mails finde ich intuitiv verständlich. Über Ansichten lässt sich auch die Platzierung der Vorschau auswählen und eine Gruppierung der Nachrichten einstellen. Für die Gruppierung wäre auch eine Einstellung wünschenswert, die gesendeten E‐Mails im Posteingang im aktuellen Ordner abzulegen. Aber viele andere Wünsche wie die automatische Einsortierung in Ordner lassen sich in den Einstellungen umsetzen.

Sehr gut finde ich, dass für E‐Mails in den Aktionen die Kopfzeilen einsehbar sind, was eine Fehleranalyse sehr erleichtert, und eine E‐Mail auch komplett als Anhang weitergeleitet werden kann. Bei der Erstellung von E‐Mails kann man über die Aktionen auch zwischen HTML und Text umschalten, was mir als neomutt-Nutzer natürlich sehr recht ist. In diesem Punkt scheint auch jemand mit technischem Sachverstand die Oberfläche entworfen zu haben, wohingegen die Gmail-Oberfläche fortgeschrittenenfeindlich ist.

Im Postfach habe ich allerdings die Unterstützung von PGP vermisst. Bei meiner E‑Mail zum Test wurde die PGP‐Signatur nicht korrekt erkannt und als Anhang dargestellt, was regelmäßig meine Empfänger verwirrt. Wenn schon keine Möglichkeit zur Prüfung besteht, sollten Anhänge mit application/pgp-signature ignoriert werden. Zur Prüfung muss man eh (unter Aktionen) die komplette E‑Mail herunterladen (löblich, dass dies geht), um die Signatur zu prüfen.

Interessant und ich glaube auch nützlich ist die Funktion Schnellantwort im Postfach, über die man einfach kurz einen Text eingeben und versenden kann; hier fehlt mir zum Beispiel die Tastenkombination Strg+Enter zum Senden.

Fazit

Die nächsten E‐Mailkonten werde ich bei mail.de anlegen. Zum einen finde ich bei mail.de den transparenten Umgang mit Informationen für die Zugänge gut, sodass man auch andere Programme leicht einrichten kann, und zum anderen sehe ich eine begrüßenswerte Unterstützung diverser Sicherheitsfunktionen. Die Anmeldung geht auch wesentlich schneller und ist um ein vielfaches datensparsamer als die Registrierung bei Gmail oder web.de.

Das kostenfreie Konto ist zwar stark mit Werbung beladen (die sich leider auch mit uBlock origin nicht entfernen lässt), aber dies wird vor der Anmeldung kenntlich gemacht und ist bei GMX genauso schlimm. Die Weboberfläche könnte noch einen liebevollen Entwickler vertragen, der an vielen Stellen Kleinigkeiten nachbessert oder Begriffe und Texte laientauglich gestaltet (mit HTML und Javascript ist heutzutage so viel möglich, man muss es nur nutzen), aber im Großen und Ganzen finde ich sie vollkommen ausreichend.

Bei den Vertragsbedingungen für die kostenpflichtigen Tarife finde ich eine Vertragslaufzeit von 12 Monaten nicht mehr zeitgemäß. Der Prozess der Anmeldung und Kündigung lässt sich komplett automatisieren, sodass auch eine monatliche Kündigung umsetzbar ist. Den Preis für das kleinste Produkt mit 24 € pro Jahr finde ich völlig gerechtfertigt – bei GNUU zahle ich mehr. Wer also den Dienst dauerhaft nutzt, sollte die 24 € pro Jahr auch gern geben.