In seiner Eröffnungsrede zur linux.conf.au beschreibt Cory Doctorow, dass die Verfolgung und Sanktionierung von Monopolen in den USA nicht mehr wirksam ist. IBM war seinen Worten nach zum Aufkommen des PC-Markts von einer früheren Monopolklage gezeichnet, weshalb sie die Konkurrenz auf dem PC-Markt zuließen, und Microsoft war selbst durch seine marktbeherrschende Stellung von der Überwachungsbehörde gezeichnet, weshalb sie Google im Internet gewähren ließen, um keine neuen Probleme zu bekommen.

In dieser Zeit muss es wohl mit Robert Bork zu einem Umdenken in der US-Politik gekommen sein und Monopole wurden als gut verstanden und nicht mehr so stark verfolgt. Dieser Argumentation folgend, ist der Aufstieg von Google, Amazon und Facebook auch den laschen Kontrollen der US-Behörden geschuldet.

Ich bin auch der Meinung, dass hier bei uns in Deutschland verknöcherte Politik mit einem Denken, das in der Vergangenheit verhangen war, die Probleme hat anschwellen lassen, aber glaube auch, dass die Kategorie eines Monopols genau dieses alte Denken widerspiegelt.

Amazon ist für mich das perfekte Beispiel. Amazon hat mit Buchhandel begonnen, dann kamen andere Waren hinzu und damit hat Amazon seine Plattform ausgebaut. Später konnte es diese Plattform als Marktplatz abspalten und auch anderen Händlern zugänglich machen. Einerseits schaffte Amazon damit eine Entkopplung des Systems und andererseits einen neuen Geschäftsbereich. Mit dem Anwachsen des Marktplatzes wuchs auch die Rechentechnik als Basis dafür und Amazon abstrahierte an dieser Stelle wieder und schuf den Cloud-Dienst Amazon Web Services (AWS).

Diese Geschäftsbereiche sind allerdings so lose gekoppelt, dass der Amazon-Handel auch über eine andere Plattform als den Amazon-Marktplatz erfolgen könnte (sofern dieser die nötigen Funktionen bietet) und der Amazon-Marktplatz könnte auch auf der Google- oder Microsoft-Cloud laufen. Wenn also eines Monopolkommission Amazon zerschlagen wollte, der Konzern könnte sich schnell wieder neu formieren, da das, was die Amazon-Bereiche verbindet, eher ein Charakter, ein Wesenszug (engl. Spirit) ist. In allen Bereichen herrscht also der gleiche Geist und selbst wenn diese Unternehmensbereiche nicht mehr miteinander kommunizieren dürften, so würden sie doch gleich ticken und daher in die selbe Richtung gehen. Dies macht meiner Meinung nach die Zerschlagung sinnlos.

Amazon hat meiner Meinung nach – bewusst oder unbewusst – die Techniken des Internets angewandt. Dieses Prinzip der losen Kopplung ist genau das, was TCP/IP so erfolgreich gemacht hat. Gerade weil abgegrenzte Aufgabenbereiche in einzelne Schichten gekapselt werden, bietet das Netzwerkmodell eine solch hohe Flexibilität und Widerstandsfähigkeit. In der materiellen Welt ist dies nicht so leicht möglich, aber gerade die immaterielle Welt bietet die Möglichkeiten, ganz leicht die Daten (die Dinge der immateriellen Welt) von einem System auf ein anderes zu übertragen.

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Meiner Ansicht nach hat Amazon noch an einer anderen Stelle sich etwas von der Internettechnik abgeschaut: Dezentralisierung und Verteilung. Amazon hat für seine Logistik nicht einen Partner, sondern mehrere gewählt. Falls es also auf einer Strecke zu Störungen (z. B. einer Überlastung) kommt, kann Amazon leicht auf einen anderen Anbieter umschwenken und routet über ihn seine Pakete – nichts anderes passiert im Internet mit dem Routing von Datenpaketen.

Auch die Platzierung der Versandzentren ist genial. Amazon hat mehrere Standorte in Deutschland und Europa gewählt und sie auch gleichwertig gewählt – genauso wie man die Knoten des Internets gleichwertig aufbaut und durch redundante Leitungen vernetzt. Sollte also ein Versandzentrum ausfallen, kann problemlos ein anderes einspringen und (bis auch erhöhte Transportkosten) geht es weiter wie zuvor. Und genau daran beißt sich Verdi schon seit Jahren die Zähne aus, weil es Amazon einfach nicht schadet, wenn ein Versandzentrum bestreikt wird. Und sollten durch gesetzliche Bedingungen alle Versandzentren in Deutschland geschwächte werden oder ausfallen, so hat Amazon Versandzentren im nahen Ausland parat. Diese Übertragung aus der IT in die Logistik, die Organisation des Versands von Waren ähnlich der von Daten zu gestalten, ist genial.

Diese Prinzipien Entkopplung und Dezentralisierung waren genau die Entwurfskriterien des Internets, um die Ausfallsicherheit (damals bei einem Atomangriff) zu gewährleisten. Genauso wie diese Prinzipien für die Ausfallsicherheit von DNS und vielen anderen Diensten sorgen, so schützen sie meiner Ansicht nach auch Amazon vor einer Regulierung im Sinne der Monopolbekämpfung, denn die Hülle, das große Ganze ist nur der Geist, der die Amazon-Bereiche verbindet.

Daher glaube ich auch, werden die Bestrebungen, solche Monopole mit den alten Mitteln (Zerschlagung) zu bekämpfen, ins leere Laufen. Ich bin der Ansicht, dass diese Monopole durch Konkurrenz bekämpft werden müssen: Maßnahmen sollten nicht auf die Schwächung der Monopolisten, sondern auf die Stärkung der Konkurrenten abzielen. Konkret sollte man nicht den Amazon-Marktplatz regulieren, sondern man sollte neue Marktplätze aufbauen oder noch besser alle Händler ermächtigen, direkt zu handeln (also den eigenen Webshop zu betreiben).