Ich habe in meiner Schulzeit Unterricht als ein lineares Voranschreiten im Lehrstoff erlebt, das hauptsächlich vom Lehrplan getrieben war. Leider bekomme ich auch noch ähnliches von meinen Nachhilfeschülern aus ihrem Unterricht berichtet. Der Lehrer gibt es Thema vor und dieses wird dann behandelt. Warum, Wieso und wie das Thema in den Rest des Stoffs eingebettet ist, wird maximal am Ende erklärt.
Ich denke, die Richtung sollte umgekehrt sein. Am Anfang sollte eine praktische Frage oder der Anschluss an vorherigen Stoff stehen. Im besten Fall ist es eine Frage aus dem realen Leben, die an Erfahrungen und Erlebnisse der Schüler anknüpft, um das Thema greifbar zu machen. Von dieser Fragestellung aus taucht man dann tiefer in das Thema ein und ergründet die Grundlagen.
Besonders deutlich ist mir der Unterschied des Herangehens im Studium bei mathematischen Beweisen geworden. Die Mathematik setzt im Kern auf eine kleine, wohldefinierte Menge von Behauptungen (Axiomen), die man als gültig annimmt. Von diesen Kernbehauptungen aus entwickelt man dann immer mehr das System der Mathematik, indem man zeigt, wie man aus dem bekannten Wissen neue Erkenntnisse ableiten kann.
Wenn man jedoch einen Beweis einer Gleichung in dieser Vorwärtsrichtung liest, sind die Schritte zum Teil unverständlich und willkürlich. Es werden Parameter gewählt und Hilfsvariablen auf ominöseweise gewählt. Man watet so Schritt für Schritt durch ein Dickicht und dann, plötzlich, mit einmal lichtet sich der Nebel und man kann alle Puzzelsteine wie von Zauberhand perfekt zusammensetzen und bekommt da Ergebnis. Liest man aber den Beweis rückwärts und sucht vom Ziel aus nach dem Weg zum Start, so erscheinen viele Festlegungen plötzlich nicht mehr willkürlich, sondern die Bedingungen machen die Wahl bestimmter Parameter oder Hilfsvariablen zwangsläufig. Der Weg ist also nicht mehr das unklare Waten durch das Dickicht, sondern fast schon ein zielgerichtetes Laufen.
Der wesentliche Unterschied beider Herangehensweisen liegt im Bedürfnis. Wenn der Stoff vom Lehrer oder vom Lehrplan vorgegeben wird, hat der Schüler kaum ein intrinsisches Bedürfnis, den Weg zu beschreiten – maximal aus dem Grunde, weil er eine gute Note und den Abschluss erlangen will. Vielmehr muss er dem Lehrer vertrauen und erfährt das Gefühl von Fremdbestimmtheit »ich muss das tun, weil der Lehrer/Lehrplan es will«.
Steht aber ein persönliches Erlebnis oder eine Fragestellung am Anfang, mit der sich der Schüler identifizieren kann, lässt sich damit das Interesse der Schüler wecken, so ist die Bereitschaft und Aufmerksamkeit auf dem Weg wesentlich größer. Als extreme Form könnten die Schüler Fragen mit in den Unterricht bringen und der Lehrer führt sich bei der Beantwortung der Frage. Dies erschwert zwar massiv die Erfüllung des Lehrplans – denn das Schulsystem verlangt immer noch, dass am Ende der Inhalt des Lehrplans vermittelt wurde –, aber es obliegt dem Lehrer, durch eine geschickte Auswahl von Fragen oder Setzung von Fragen, den Unterricht mit den Vorgaben des Lehrplans in Deckung zu bringen.
Die Unterrichtsstruktur sollte wie bei einer Mindmap baumartig von einer zentralen Fragestellung ausgehend immer mehr in das Thema vertiefen und verzweigen und so zu den Grundlagen vordringen, um am Ende dann wieder zur Ausgangsfrage zurückzukehren, um diese zu beantworten. Die Grundlagen sind dann das bereits bekannte Wissen oder auf anderem Wege gesicherte Erkenntnisse.
Mit dieser Form der Ergründung eines Themas erlernen die Schüler auch Kompetenzen Fragen zu stellen und Fragen zu beantworten. Mit einer Ideensammlung (Brainstorming) am Anfang wird die Neugier angesprochen und die Beobachtungsgabe für die Umwelt geschult. Anhand der Leitfrage Warum? können die Schüler dann erfahren, wie sie ein Thema ergründen und Fragen beantworten.
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Vertrauen, Fremdbestimmung
Wofür brauche ich das?
- mindmap
- Warum?
- mathm. Beweis
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- Lernen, wie man Fragen stellt und diese ergründet