Ich habe einen interessanten Artikel in der FAZ gelesen: Industrie 4.0: „Das ist ein urdeutsches Problem“. Der interessanteste Teil daraus ist dieser:

Es geht um ein Geschäftsmodell, das mit „Pay-per-Part“ zusammengefasst wird: Kunden kaufen keine Lasermaschine mehr von Trumpf, sie bekommen sie von Munich Re finanziert, zahlen nur für jedes einzelne ihrer bearbeiteten Blechteile, je nach Größe, Geometrie oder Aufwand der Bearbeitung. Relayr kümmert sich per Datenanalyse um die optimale Nutzung der Maschine, um Qualitätskontrolle, Wartungsbedarf, den optimalen Materialeinsatz, schließlich die Preisfindung.

In der Vorphase des Kapitalismus lagen die Produktionsmittel in den Händen der Arbeiter und Produzenten. Der Müller besaß seine Mühle, der Zimmermann seinen Hammer und der Töpfer seinen Ofen. Da Maschinen irgendwann immer größer (statt der Handsäge gab es die Bandsäge) und teurer wurden, schlossen sich Investoren zusammen und erwarben die industriellen Produktionsmittel gemeinsam. Die Arbeiter wurden dann zu angestellten der Fabrik und nutzten für ihre Arbeit die ihnen geliehenen Arbeitsmittel.

Diese Entkoppelung brachte sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich: Der Arbeiter war einerseits nicht mehr so streng gebunden (auf Lebenszeit in der selben Werkstatt), aber gleichzeitig austauschbar und damit kündbar. In der Gemeinschaft eines Betriebes konnten die Produktionsmittel intensiver genutzt werden, da mehrere Arbeiter sie sich teilten, aber die Bindung der Arbeiter zu ihrem Werkzeug wurde loser – eine Entartung der (extrinsischen) Bedarfsbindung zur (extrinsischen) Pflichtbindung.

Wenn nach dem obigen Abschnitt die Produktionsmittel jetzt nur noch gemietet oder geleast werden, sind sie also nicht mehr das Eigentum des Fabrikanten, sondern einer externen Partei – der Bank. Ein Fabrikbesitzer leiht sich dann die Produktionsmittel von der Bank und die Arbeitskraft von den Arbeitern und ist nur noch der Verwalter dieser Ressourcen.

An dieser Stelle ist mit einem weiteren Verlust der Bindung zwischen Fabrikant und Fabrik zu rechnen, ähnlich wie es bereits bei Start-ups zu beobachten ist. Diese zielen zum Teil schon von Anfang an darauf ab, die Firma aufzubauen, um sie zu verkaufen. Das Produkt der Firma ist dann nicht mehr die eigentlich Ware, sondern die Firma wird zur »Ware«, und der Manager verfolgt nicht mehr das Ziel der Produktion von Waren, sondern den Aufbau und Verkauf der Firma.

Diese erodierende Bindung des Firmenchefs zu seiner Firma bzw. zu seinen Produktionsmitteln – diese sind nicht mehr das Heiligtum, sondern leicht austauschbar – führt zu einer Ressourcenverschwendung. Produktionsmittel werden nicht mehr ersetzt, wenn ihr Zustand schlecht bzw. deren Gebrauchswert nicht mehr gegeben ist, sondern wenn die buchhalterische Abschreibung das Produktionsmittel zum »Restwert« von einem Euro erklärt. Computer, die noch lange einsatzfähig sind, werden ausgetauscht (und vernichtet), weil der Mietvertrag abgelaufen ist. Diese Entartung der Beziehung zum Produktionsmittel – Gebrauchswert ggü. buchhalterischem Wert – gleicht der Entartung der Beziehung des Arbeiters zu seinem Produkt. Bei der Produktion führte dies weg von der Produktion für den Bedarf und hin zur Produktion für den Konsum. Bei Firmen führt dies zu »Scheinfirmen«, die keine echten Bedürfnisse mehr adressieren, sondern nur noch um ihrer Existenzwillen existieren; z. B. Beratungsagenturen.

Gleichzeitig kommt es zu einer Eigentums- und Machtkonzentration in den Händen der Banken. Wenn Banken, wie in dem obigen Abschnitt beschrieben, die Maschinen kontrollieren und bestimmen können, wann diese für wen eingesetzt werden, können diese auch den Mietern vorschreiben, wie sie die Maschinen zu nutzen haben – vielleicht nicht direkt, aber indirekt über die Preisgestaltung. Der Fabrikant ist also nicht mehr so frei in seinem Handeln wie beim Besitz der Produktionsmittel. In der IT-Branche gibt es schon länger dieses System bei Mainframes, bei denen man die genutzten Rechenoperationen am Ende des Monats bezahlt, aber auch mit dem neuen Cloud-Computing sind die Server (Infrastructure ad a Service) oder die Programme (Software as a Service) nicht mehr Eigentum der Firma.

Mietverhältnisse haben zwar den Vorteil, dass sie eine geteilte Nutzung und damit eine effizientere Nutzung der Ressourcen ermöglichen. Für einen kurzzeitigen Bedarf ist dies optimal. Jedoch darf es für dauerhaft benötigte Produktionsmittel nicht zu periodischen Dauermietverhältnissen kommen, bei dem nicht das eigentliche Produktionsmittel, sondern eine regelmäßig ausgewechselte Maschine gemietet wird. Das ist ähnlich wie Arbeiterüberlassung, bei der man auch die Arbeitskraft und nicht den Arbeiter einkauft.

Solche periodischen Dauermietverhältnisse müssen regulatorisch abgestraft werden (z. B. nur 80 % der Kosten können als Betriebsausgabe angerechnet werden), weil sie strukturell vorteilhaft sind, aber ganzheitlich betrachtet nachteilig.

0. Phase 1. Phase 2. Phase
Position des Arbeiters Arbeiter ist Chef Arbeiter ist Angestellter Arbeiter ist Ressource
Besitzer der Produktionsmittel Arbeiter Fabrikbesitzer Bank
Bedeutung der Ware Erfüllung von Kundenbedürfnissen Akkumulation von Kapital
Bedeutung der Firma Selbstverwirklichung des Arbeiters Zusammenschluss zur Effizienzsteigerung Handelsgegenstand/​Werkstück