In der Süddeutschen Zeitung ist eine Rezension des Buchs „Kopf, Hand, Herz“ von David Goodhart erschienen, das sehr tiefgründig und weitsichtig (mit 400 Seiten) klingt. Der Fokus liegt zwar mehr auf Großbritannien und den USA, aber in der Tendenz wird es auf alle westlichen Nationen übertragbar sein. Die Kernthese des Buches ist, dass in den letzten Jahrzehnten zu viel Bedeutung auf die akademische Ausbildung gelegt und die handwerklichen Berufe vernachlässigt (und geringschätzig bewertet) wurden.

Etwas befremdlich erscheint der einleitende Absatz mit »Studien jedenfalls zeigen, dass kaum jemand noch besonders viel davon weiß, was er oder sie sich jahrelang in Seminaren und Vorlesungen angehört hat.«, der verdeutlicht, dass der Unterschied zwischen Wissens- und Kompetenzvermittlung nicht verstanden wurde. Aber der Rest des Textes lässt das Buch sehr interessant erscheinen.

Zumal es auch nicht so sei, dass, wenn immer mehr Menschen studierten, diese anschließend zwangsläufig gebildeter seien. Die Universitäten würden zu Massen-Unis, die Qualität sinke, die Anforderungen ebenfalls, schreibt Goodhart.

Diesen Verlust an Qualität würde ich auch dem gesamten Bildungssystem unterstellen. Bereits die Schulen haben nicht mehr den Anspruch gute Absolventen zu erzielen, sondern senken das Niveau, um die Masse an guten Abschlüssen zu halten. Dies pflanzt sich dann bis hin zum Bachelor-Master-System an den Universitäten fort.

Ein Grund für die Akademisierung wird historisch begründet sein, denn noch vor 50 Jahren galt »lern' was ordentliches, dann hast du auch Chancen«. Mittlerweile ist das Lernniveau jedoch so sehr abgesenkt worden, dass man mit einem durchschnittlichen Studiumsabschluss keinen Blumentopf mehr gewinnen kann, weil die Konkurrenz zu groß ist.

Einen anderen Grund sieht auch Goodhart in der Ökonomisierung der Gesellschaft, denn es zählt nur noch das, was zählbar ist:

So wertschätzen Industrienationen, was messbar ist, etwa in Kategorien wie Einkommen oder auch Dienstleistungs- und Warenwert. […] Ebenso lässt sich die Frage, wer eigentlich als intelligent gilt, mit der Messbarkeit analytischer Fähigkeiten erklären. Soziale und emotionale Intelligenz sind schwerer zu erfassen

Aber ich denke ebenso wie Goodhart, dass die Digitalisierung hier die Prioritäten verschieben wird und gerade die Tätigkeiten, die gut strukturiert und abrechenbar sind, von Computern übernommen werden:

Schon überzeugender ist sein Argument, dass Automatisierung in den sozialen Berufen nur ergänzend einsetzbar ist, der Bedarf an menschennaher, emotional intelligenter Arbeit sogar steigt. Anspruchslos-analytische Arbeit hingegen, also die Jobs mittelmäßiger Akademiker, könne Software übernehmen.

Ich werde das Buch mal auf meine Leseliste setzen, aber eher weiter unten, weil es gefühlt nur meine Echokammer beschallen und mir keine so vielen neuen Gedanken bringen wird. Aber mindestens die Rezension würde ich jedem empfehlen.