Der Autor des Artikels »Belehrungen vom urbanen Wohlstandsbürger« spricht mir aus der Seele. Ich sehe es ebenfalls so, dass viele der »großen« Themen, die die klassischen Medien und die Politik bestimmen, an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeigehen und – auch da stimme ich dem Autor zu – zu einem Gefühl des Abgehängtseins führen. Denn wie schon beim Kleinen Mann von Fallada spielt sich das Leben der Menschen viel öfter in kleinen, lautlosen Ecken ab, die in den großen Diskussionen keine Würdigung erfahren und damit den Menschen ein Gefühl der Bedeutungslosigkeit geben. Und so wenden sich viele allein aus dem Bedürfnis der Anerkennung heraus denen zu, die ihnen vermeintlich zuhören.

Die Gründe für diese Lage sind vielfältig: Einerseits ist es aufregender über große, neue, krachende Themen zu berichten als über die vielen kleinen, banalen Dinge – so wie es spannender ist, einem Baum beim Fallen anstatt beim Wachsen zuzusehen … und dieses Denken treibt die Aufmerksamkeitsökonomie und unterdrückt genau die realen Themen des Lebens. In diesem Punkt ist der Kleine Mann aber nicht nur Opfer, sondern auch Täter, denn viele folgen und befeuern diesen Wettkampf nach dem Besonderen, Nichtalltäglichen – der Mensch sucht Ablenkung vom Alltag und lenkt dabei die Aufmerksamkeit von sich selbst weg.

In diesem Sinne liegt also nicht das Problem darin, wohin und wie die Menschen in den Urlaub reisen, sondern dass sie überhaupt das Bedürfnis haben. Bildungsreisen sind Urlaube selten, viel eher eine Flucht vorm Alltag, Zerstreuung und Krafttanken. Daher wäre es besser, wenn wir den Alltag verändern, sodass wir nicht regelmäßig einer Erholung bedürfen.

Aber die noch viel größere Herausforderung sehe ich darin, den Wert des Urlaubs auf das tatsächliche Erlebnis zu reduzieren. Denn viele gieren nach Höhepunkten, um die oben genannte Aufmerksamkeitsökonomie zu bedienen, denn wie die Medien lehren: Nur der ist etwas wert, der was Großes erlebt. Dieses neoliberalistische Denken von höher, schneller, weiter völlig abgekoppelt vom Bedarf zwingt den Menschen in ein Hamsterrad, in dem er sich zu Tote läuft.