An der Amerikanischen Börse findet gerade ein lustiges Spiel statt: Im Reddit-Forum r/wallstreetbets verabreden sich mehrere Leute zum Kauf von Aktien. Ihr Ziel ist, Hedgefonds zu schaden, die auf den Fall von Aktien gewettet haben.

An der Börse kann man nicht nur Aktien kaufen und verkaufen, sondern es gibt auch (neben vielen anderen Spielarten) die Form von Leerverkaufen. Leer heißen die Verkäufe, weil der Verkäufer etwas verkauft, das ihm gar nicht gehört. Wenn ein Händler auf die Idee kommt, eine Aktie könnte fallen, so leiht er sich Aktien bei jemandem, der die Aktien besitzt, bezahlt dafür eine gewisse Leihgebühr und verkauft dann die Aktien (die er geliehen hat). Einige Zeit später, wenn die Erwartung eintritt, kauft er neue Aktien zum niedrigeren Preis und gibt sie dem Leihgeber zurück – alle sind glücklich 😂 … doch nur wer's glaubt, wird selig.

Ein Problem bekommt der Leihnehmer aber, wenn die Preise steigen. Dann muss er die Aktien zu einem höheren Preis kaufen, als er sie verkauft hat und macht dabei Verlust. Und genau darauf zielen die Forumsteilnehmer ab. Die Hedgefonds verpflichten sich, die Leihgaben zu einem bestimmten Termin zurückzugeben und damit muss der Preis der Aktie nur zu diesem Stichtag entsprechend hoch sein, damit die Hedgefonds Verlust machen – am 28. Januar lagen die Verluste bereits bei über 70 Milliarden US-Dollar.

Besonders problematisch kommt hier noch eine selbstverstärkende Wirkung hinzu: Wenn die Hedgefonds bemerken, dass der Preis steigt und sie Verlust machen werden, wollen sie natürlich den Verlust begrenzen und kaufen schon frühzeitig Aktien zurück … was wiederum den Preis (gemäß Angebot und Nachfrage) weiter steigen lässt.

Wenn diese kollektive Bestrafung von Leerverkäufen schule macht, könnte dies ein wirksames Mittel gegen dieses Finanzinstrument sein, denn es wird in Zukunft schon allein die Androhung einer Sabotage von Leerverkäufen die Hedgefonds von diesen Leerverkäufen abhalten.

Leerverkäufe sind rein sachlich betrachtet nichts verkehrtes und ein Finanzinvestor wird noch zwei Millionen Gründe finden, warum sie gut sind. Aber weitet man etwas den Blick und betrachtet Leerverkäufe ganzheitlich, dann ist dieses Finanzwerkzeug nicht gutzuheißen. Ein Leerverkauf ist ein Handel mit negativer Materie: Etwas, das der Händler nicht besitzt, wird hin und her geschoben und dabei erwirtschaftet der Händler im besten Fall noch Gewinn.

Ein Bauer, der Kartoffeln verkaufen will, kann auch nur mit dem handeln, was er in der Hand hält und nicht mit imaginären Antiteilchen-Kartoffeln. Im Bild des Leerverkaufs gesprochen, holt (leiht) der Bauer die Kartoffeln, die er verkaufen will, im Frühjahr aus der Erde, kauft sie im Herbst wieder von irgendwem anderes zurück und legt wie wieder in die Erde, damit der Zustand wieder ausgeglichen ist. An diesem Bild merkt man schon, dass Leerverkäufe keinen realen Mehrwert schaffen, sondern nur aufgrund von Geldverschiebung irgendwem Geld abnehmen, das für den Geldschieber der Gewinn ist. Durch einen Leerverkauf hat aber kein Mensch ein Stück Brot auf dem Tisch liegen oder jemandem wurde die Wohnung tapeziert – es wurde einfach nur Geld hin und her geschoben.

Aus diesem Grund müsste der Staat auch auf diese Gewinne aus Geldschiebereien eine Steuer von 50 % und mehr erheben. Solche Aktivitäten schaden nur dem Ansehen der Börse, denn die Börse als Treffpunkt von Ideengeber und Investor ist nicht schlecht, nur die Geldschieberei macht sie schlecht.

Leere Leerverkäufe

Bei Reddit gibt es auch eine gute deutsche Erklärung »Warum flippen alle wegen Gamestop aus?« in der unter anderem erklärt wird, dass es auch Leerverkäufe gibt, bei denen der Verkäufer noch nicht die geliehene Aktie in der Hand hält. Dies ist ähnlich wie bei Cum-Cum/Cum-Ex, dass auf dem Papier mehr Aktien existieren, als tatsächlich vom Unternehmen ausgegeben wurden. Einige der Verkäufe sind also nur das Versprechen zu liefern und funktionieren nur aufgrund des Zeitverzugs zwischen Zusage und Übergabe. Dies macht den Handel noch komplizierter (und ist eigentlich auch verboten), da plötzlich Lieferverpflichtungen bestehen, die nicht bzw. nur sehr schwer erfüllt werden können (sollte z. B. der Handel eingefroren werden). Dieser Umstand treibt die Preise noch mehr an.

Offenbar läuft dieses Spiel jetzt nicht nur in den USA, sondern weltweit, denn Aktien können ja an vielen Börsenplätzen gehandelt werden. Als lustiger Nebeneffekt dieses weltweiten Handels kommt es zu Kollateral-Profiteuren: Eine Aktie wird an der Börse immer unter einen Kürzel und nicht unter seinem vollen Namen gehandelt und an jeder Börse gelten andere Kürzel. Wer also nicht aufpasst, kauft eben an der Börse in Sydney die Aktie mit dem selben Kürzel wie von der New Yorker Börse, nur eben von einem anderen Unternehmen. So erging es wohl dem Minenbetreiber in Australien, der das gleiche Kürzel wie ein Computerspielehersteller hat, nur eben in Sydney und nicht in New York.

Marktmanipulation durch Robinhood

Am 28. Januar kam noch ein ganz anderer Drall ins Spiel. In den USA gibt es wohl eine App Robinhood, die den Zugang zu Finanzmärkten für den kleinen Mann bieten will. Jedoch hat genau diese App den Kauf bestimmter Aktien untersagt. Dies ist in zweierlei Richtungen fatal: Zum einen stellt dies tatsächlich eine Marktmanipulation dar, da die App den Handel mit Aktien einseitig verzerrt: Zum einen sind Nutzer der App eingeschränkt (und nicht mehr frei) in den Möglichkeiten und zum anderen dürfen gerade die Hedgefonds uneingeschränkt weitermachen (Ungleichheit/Einschränkung der Freiheit der Marktteilnehmer). Wobei noch zu berücksichtigen bleibt, welche Bedeutung überhaupt die App hat, denn die App ist nicht die Börse

Jedenfalls hat dieser Schritt Kritik von US-Politikern beider Lager hervorgerufen und der App mindestens die Ankündigung eines Untersuchungsausschusses eingebracht. Auch große Unternehmer wie der Tesla-Gründer Eleon Musk haben sich auf die Seite der Kleinanleger geschlagen und kritisieren die Beschränkungen durch Robinhood. Aber diese Geschichte hat auch ein Schlaglicht auf die Hedgefonds und Leerverkäufe selbst gerichtet und sie ins Zentrum der Kritik gestellt: We must deal with the hedge funds whose unethical conduct directly led to the recent market volatility and we must examine the market in general and how it has been manipulated by hedge funds and their financial partners to benefit themselves while others pay the price

Zum zweiten könnte diese Aktion Robinhood den Kopf kosten, weil dies völlig gegen sein Image ist und die App mit dieser Aktion eben nicht die kleinen Leute unterstützt, sondern die großen Geldschieber. Solche kleinen Schritte können eine riesige Welle an Gegenreaktion hervorrufen, bei der der Name der App einfach verbrannt wird und niemand sie mehr anfasst.

Ein Tweet wiederum erklärt die Sperrung des Kauf-Knopfs bei Robinhood durch deren Partner: Da bekannt ist, was sich hinter dem rasant gestiegenen Kurs diverser Aktien verbirgt, fordern offenbar die Partner, über die Robinhood seine Geschäfte abwickelt, solch hohe Sicherheiten, dass Robinhood diese nicht liefern kann. Robinhood selbst musste nun Geld beschaffen, um weiter arbeiten zu können. Verständlicherweise hat dann Robinhood den Knopf deaktiviert, jedoch wirft dies in meinen Augen ein komisches Licht auf Robinhood, da diese offenbar auch nur per Zuruf handeln. In dem Artikel bei WiWo[^](Der Artikel ist auch darüber hinaus lesenswert, weil er die rechtliche Lage eingehender beleuchtet.) ist auch genannte, dass Robinhood Direktgeschäfte mit Hedgefonds tätigt, also nicht immer über die Börse geht.

Marktmanipulation durch Initiator

Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass der Anführer der Initiative bei Reddit selbst ein Finanzmakler ist, der sehr wohl wusste, wie das ganze Spiel funktioniert. Es steht nun die Vermutung im Raum, dass er die Märkte manipuliert hat: »DeepFuckingValue«: Treibender Kopf hinter Gamestop-Hype vor Anhörung verklagt.

Ein schwieriger Fall, bei dem man sehr um die Definition von Manipulation ringen wird. Denn hier waren die Informationen frei zugänglich und seit spätestens Januar war einer breiten Öffentlichkeit bekannt, worum es geht. Andererseits gab es eindeutig eine Verabredung zum Kauf/Verkauf von Aktien mit dem Ziel den Kurs zu beeinflussen. Dies ist mehr als einfach nur Anleger über Aktien zu informieren, wie es zum Beispiel Bloomberg tut. Wiederum waren so viele Leute an den Käufen beteiligt, dass dies auch nicht der klassischen Konstellation einer Absprache entspricht. An diesen Auslegungen der gesetzlichen Forderungen werden Juristen ihre Freude haben.

Dennoch sollte man nicht den Blick für das Gesamtbild verlieren, denn Fakt ist, dass mit hinreichend Geld eine solche Manipulation möglich ist und solche Spielchen, egal von wem sie ausgeführt werden, müssen mit hohen Steuern belegt werden, damit sie ihren Reiz verlieren.