Am 25. Mai 2021 hat der Bundestag ein Gesetz für die Besserstellung von Verbrauchern beschlossen. Damit bekommen Verträge, die sich automatisch verlängert haben, eine monatliche Kündigungsfrist; das betrifft dann unter anderem auch Telefonverträge. Weiterhin sollen Kündigungen für Online-Verträge auch online erfolgen können. Leider sind bisher viele Anbieter (z.B. Vodafone, Die Zeit) für Kündigungen noch im 20. Jh. verhaftet und hätte am liebsten Kündigungen nur mit der Schreibmaschine getippt. Das ändert sich jetzt hoffentlich.
Weiterhin wurde die Gewährleistungspflicht von sechs auf zwölf Monate verlängert, sodass der Händler die Fehlerfreiheit eines Produktes beweisen müssen. Ab wann allerdings diese neuen Regeln gelten und ob sie auch Altverträge betreffen, habe ich nirgendwo gelesen.
Update-Pflicht für digitale Produkte
Dann wird mit den Gesetz noch eine ominöse Update-Pflicht kommen, mit der für digitale Geräte und Apps es Updates geben soll, »solange der Kunde dies erwarten kann«. Nachdem jahrelang allen Kunden erklärt wurde, dass ein ein Jahr altes Handy Schrott ist, und es Konsens geworden ist, dass Geräte höchstens zwei Jahr einsatzfähig sind, wird das Gesetz erst auf dem Wege über die Gerichte eine ernsthafte Verbesserung bringen. Da waren die Politiker eindeutig zu weicheiig.
Ich bin der Meinung, dass Unternehmen alle Informationen zur Wartung und Entsorgung von Geräten der Gesellschaft in freier1 Form übergeben müssen, wenn sie die Verantwortung dafür abgeben. Es braucht also ein Informationsfreiheitsgesetz für Gerätedokumentationen, mit dem die Konsumenten vom Hersteller alle notwendigen Unterlagen verlangen können, wenn der Hersteller keine Unterstützung für das Gerät mehr bietet (was länger als die Garantiepflicht seien kann).
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Frei wie in freier Software ↩
Damit würde ein entscheidender Schritt zur Ermächtigung der Nutzer geleistet, denn die jetzige Situation hält sie weiterhin in einer abhängigen Position; jeder muss sich immer wieder aufs Neue mit dem Händler streiten, damit dieser die Notwendigkeit eines Updates einsieht. Stattdessen muss der Kunde die notwendigen Mittel an die Hand bekommen, um sich selbst zu helfen. Denn es ist falsch, den Kunden nur als einzelne Person zu betrachten, die »ja eh nichts kann«, sondern es ist die Gemeinschaft, die sich mithilfe solcher Mittel organisieren und die Probleme auf kreative Weise lösen kann.
Die Pflicht zur Herausgabe von Unterlagen sollte sich dann an die Hersteller richten, damit man ggf. auch für Teilkomponenten von deren Hersteller die Informationen verlangen kann … sollte ein Gesamthersteller sich weigern. Diese Ansprüche gegenüber Unternehmen im Ausland durchzusetzen wird sehr schwer bis unmöglich, aber mit jeder »befreiten« Information wächst das Wissen und der Handlungsspielraum der Gesellschaft.
Interessant bei der beschlossenen Update-Pflicht ist nämlich, dass diese für den Verkäufer und nicht für Hersteller besteht. Klar, der Verkäufer ist der Vertragspartner des Käufers und als Inverkehrbringer damit auch ein deutsches Unternehmen1, das man in die Pflicht nehmen kann. Aber der Händler ist der, der am wenigsten ausrichten kann; er hat das Gerät mit seiner Unwartbarkeit ja nicht entworfen.2 Der Händler muss jetzt die Produkte, die er verkauft, daraufhin prüfen, ob er später auch seine Pflicht erbringen kann – für Einzelhändler ein echter Aufwand und ein gewisses Risiko, für Massenverkäufer wie Amazon und Mediamarkt wird eher der Kunde mit seinen Ansprüchen verhungern.3
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… anderenfalls wäre es ein (privater) Import ↩
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Gefühlt ist es nur das für Juristen typische Hin- und Herschieben der Haftung. ↩
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Darin versteckt sich wieder der Matthäus-Effekt und eine staatliche Förderung der Großkonzerne … und die Kurzsichtigkeit der Politik. ↩
Die Denkweise in diesem Gesetz greift also aus meiner Sicht wiedermal zu kurz. Man kann sich damit toll auf die Schulter klopfen, es gibt ja eine Pflicht, aber praktisch wird diese bedeutungslos bleiben, weil wieder nur das Individuum und nicht die Gesellschaft betrachtet wird. Aus der Pflicht entsteht nur dann ein Nutzen für den Kunden – der irgendeinen Binärklumpen rüber gereicht bekommt –, wenn der Hersteller einmal einsieht, dass dies notwendig ist. Aber damit wird der Kunde nicht handlungsfähiger. Vom Hersteller über den Händler zum Kunden wird der Handlungsspielraum für den Einsatz des Gerätes immer enger, obwohl beim Kunden praktisch alle Pflichten für Wartung und Entsorgung liegen, wenn der Hersteller diese abgekündigt hat.
Ein aktueller Fall: Western Digital My Book Live
Genau zu dieser Thematik passend erschien gerade der Artikel »An unpleasant surprise for My Book Live owners«. Eine NAS mit Internetanschluss von Western Digital (WD) hatte eine sehr unschöne Problemstelle, die dem Hersteller auch schon länger bekannt war. Da dieses Gerät allerdings von 2011 und die Unterstützung dafür von WD bereits abgekündigt war, gab es auch keine Updates. Nur wurde jetzt diese Lücke jetzt ausgenutzt und sämtliche Daten bei den Kunden zerstört.
Interessanterweise äußern auch zwei Kommentartoren die gleiche Idee wie ich oben:
But what's wrong with saying that, once YOU are no longer interested in supporting your products, you are obliged to make it easy for someone else to do so, if they think it's economic.
Aber vermutlich liegt der Gedanke zur Emanzipation und gemeinschaftlichen Lösung von Problemen den FOSS-Freunden näher als dem Durchschnittsjuristen.